Das Jahr 1902 ist noch jung, ein milder Frühling erfreut das Gemüt. Amand Paudler sitzt an seinem Schreibtisch in Böhmisch Leipa (heute: Ceska Lipa, Tschechische Republik) und lehnt sich zufrieden zurück. Er hat es geschafft: sein Wanderführer “Der neue Kammweg vom Jeschken zum Rosenberge” ist soeben fertig geworden. 60 km des neuen Höhenweges von der Jeschkenkoppe durch das Kreibitzer Bergland bis zum Rosenberg im Elbsandsteingebirge sind für die Nachwelt festgehalten. Ob er zu diesem Zeitpunkt schon ahnt, welche Begeisterung sein Werk auslösen wird, ist nicht überliefert.
Nur zwei Jahre später sind aus den anfänglichen 60 km inzwischen stolze 864 km geworden. Tatendurstige Mitglieder deutscher Natur- und Gebirgsvereine in Nordböhmen verlängerten Paudlers Weg nach Osten und Westen und markierten ihn durchgehend mit dem blauen Kammzeichen. Der neue Kammweg verläuft nun vom Hainberg bei Asch (tschechisch: Háj u Aše) auf den Kammlinien von Elstergebirge, Erzgebirge, Elbsandsteingebirge, Kreibitzer Bergland, Jeschken-, Iser- und Riesengebirge, Rehorn- und Adlergebirge bis zum Altvater (Praděd) im Altvatergebirge und ist zu seiner Zeit der längste Höhenwanderweg im deutschsprachigen Raum.
1905 veröffentlicht Dr. Franz Hantschel in Prag- Smichov seinen erweiterten “Kammweg- Führer von der Jeschkenkoppe bei Reichenberg bis zum Rosenberge bei Tetschen mit Berücksichtigung der anschließenden Kammwege” und verleiht damit dem aufstrebenden Gebirgs- und Wandertourismus in Nordböhmen neue Impulse. Der Kammweg trägt in jenen Jahren wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der strukturschwachen Gebirgsregionen und zur Etablierung der für Nordböhmen typischen Bauden- Kultur bei. Er wurde mit einer Unterbrechung von 1914 bis 1918 bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges viel begangen. Mit dem Kriegsende kam seine Nutzung fast vollständig zum Erliegen. Der große Bevölkerungsaustausch im ehemaligen Sudetenland führte dazu, dass der Kammweg zunehmend in Vergessenheit geriet. Die neuen, aus dem Osten und dem Landesinneren umgesiedelten Bewohner der Grenzgebiete hatten ganz andere Probleme, als das kulturelle Erbe der vertriebenen Deutschen zu pflegen. Der Kammweg wurde aufgelassen, Markierungen entfernt. Nichts sollte mehr an seine Einrichter erinnern. Dennoch blieben die Wanderwege als solche überwiegend erhalten und wurden gemäß der tschechoslowakischen Markierungs- Systematik ummarkiert oder zu Fahrradmagistralen umgewidmet.
In den 1990-er Jahren begann die etappenweise Neumarkierung großer Abschnitte des ehemaligen Kammweges mit blauen und roten Kammzeichen. Diese Abschnitte wurden Bestandteil des europäischen Fernwanderweges E3.
Trotz aller Gründlichkeit gelang es jedoch nicht, alle Markierungen des alten Kammweges zu beseitigen. Das führte beim aufmerksamen Nordböhmen- Wanderer zu Neugier und gesteigertem Interesse an der Historie des Weges. Doch verlässliches Original- Kartenmaterial und alte Wanderführer aus der Zeit vor 1945 waren rar und schwer zu beschaffen. Schließlich half der beste Freund des Geduldigen, der gütige Zufall, tatkräftig mit. Die Recherche konnte also beginnen und das Ziel stand fest: “Wiederbeleben durch Begehen”. Die neu- alten Touren sollten folgende Kriterien erfüllen:
- Start und Ziel sollen möglichst unkompliziert von Dresden aus mit ÖVM erreichbar sein.
- Die einzelnen Etappen sollen aufeinander aufbauen und sowohl als Tagestouren als auch in Kombination mit weiteren Etappen und Zwischenübernachtung(en) als Mehrtagestouren durchführbar sein.
- Die Etappen sollen möglichst auf der oder nah an der historischen Route verlaufen. Wo das nicht mehr möglich oder der Asphaltanteil unzumutbar hoch ist, müssen Alternativrouten durch vorheriges, experimentelles Wandern identifiziert werden.
Der bescheidene Rest war reine Fleißarbeit in der lichtarmen Zeit des Jahres.
Einige hundert Stunden später liegt nun das Ergebnis von Phase 1 vor:
- Insgesamt können 20 Etappen über 406 km und 12.220 Höhenmeter sofort in Angriff genommen werden. Vorausgesetzt, die Grenzen unserer östlichen Nachbarn dürfen wieder ungehindert passiert werden und wir finden genügend freie Termine.
- Die längste Etappe führt über ca. 32 km von Böhmisch- Zinnwald (Cinovec) nach Tissa (Tisa), die kürzeste über ca. 13 km auf dem Kolbenkamm zur Brauerei Trautenberk. Dort sollte nach Möglichkeit genügend Zeit für die Schlusseinkehr eingeplant werden.
In Phase 2 und 3 folgen die Planungen für weitere Etappen vom Wieselstein (Loucna) westwärts zum Hainberg bei Asch und ostwärts von Schatzlar (Žacléř ) zum Altvater.
Hier gibt es eine Zusammenstellung aller in Phase 1 geplanten – und ab sofort als Gutschein buchbaren – Touren: